Ein Interview
Vor
rund vier Wochen gab es ein Interview mit Gentledom und mir. Das Interview macht deutlich wie unterschiedlich BDSM gelebt werden kann und dass Toleranz dennoch möglich ist. Teilnehmer waren Karla Kolumna, Gentledom.und meine Person. Es geht um BDSM Leben, Verantwortung, Kontrolle und die Rolle einer Sklavin.
Karla
Kolumna: Gleich zwei Doms mit meinen Fragen quälen zu dürfen, ist mir
eine Freude! Also, da ihr beiden euch etwas kennt, stellt euch doch
einmal gegenseitig kurz vor:
Gladius: Gentledom ist Anfang
dreißig, hat Humor und leistet mit seiner Webseite einen wichtigen
Beitrag dazu, BDSM aus der Schmuddelecke herauszuholen. Ich schätze
seine Art sehr, auch wenn wir sicher nicht immer einer Meinung sind.
Gentledom:
Für mich gehört Gladius zu den wenigen Doms, die eine sehr intensive
Form von BDSM ausleben, aber dennoch selbstkritisch sind und die ihren
Führungsanspruch nicht als durch die Position gegeben ansehen, sondern
ihn durch Leistung erhalten wollen. Unsere unterschiedlichen Ansichten
begründen sich wohl vor allem darauf, dass wir BDSM jeweils recht
verschieden ausleben.
Karla Kolumna: BDSM ausleben bzw. leben, da
kommt mir gleich die Frage auf, was versteht ihr darunter und wie sehr
macht ihr das jeweils?
Gentledom: BDSM leben ist für mich etwas,
das schon von der Sache an sich schwer zu fassen ist, was soll BDSM
leben bedeuten? Lebe ich BDSM nur, wenn ich mich damit den ganzen Tag
beschäftige, womöglich sogar beruflich, oder lebe ich BDSM, wenn es
andauernd bei mir präsent ist? Ausleben hingegen ist leicht zu
definieren, seiner Neigung in diesem Bereich nachgehen wäre meine simple
Antwort dazu.
Gladius: Juristen wollen scheinbar immer alles
erst einmal definieren. Aber gut, versuchen wir es gemeinsam. Für mich
bedeutet BDSM leben, dass es ein beständiger Teil meines Lebens ist, zum
Beispiel ich eine Beziehung führe und mein Führungsanspruch durchgehend
in verschiedenen Teilen des Lebens vorhanden ist. Ich für meinen Teil
würde sagen, ich kann beides, BDSM kann für mich ein reines Spiel sein,
aber eben auch ein Teil meines Lebens. Wenn ich zurückblicke, dürfte ich
mit 3/4 meiner Sklavinnen BDSM gelebt haben und beim Rest war es eben
nur ein Spiel.
Gentledom: Ich denke, dies charakterisiert den
Unterschied zwischen uns beiden gut. Für mich ist BDSM nach dieser
Definition eher ein Spiel und nur in Ausnahmefällen habe ich es gelebt.
Wenn es um die nackten Zahlen geht, würde ich meine BDSM Erfahrung zu
90% auf der Spielebene sehen und nur 10% gingen über dieses rein
sexuelle Spiel hinaus.
Karla Kolumna: Ich kenne eure Blogs
und daher stellt sich mir folgende Frage: Wo seht ihr den Fehler, wenn
eine Herr-Sklavin Beziehung scheitert?
Gladius: Beziehungen
können immer scheitern, sei es wegen Umständen interner oder externer
Natur. Wenn es ein internes Problem ist, trägt in der Regel der Herr die
Hauptverantwortung. Er hat den Führungsanspruch und gestaltet somit
aktiv die Beziehung mit, nimmt also leichter und mehr Einfluss auf die
Entwicklungen. Wenn der Herr führt und es geht in die falsche Richtung,
dann fehlte ihm wohl der Überblick, oder er hat falsch geführt.
Gentledom:
Eine Beziehung ist etwas, das zwei Menschen betrifft. Eine Schuldfrage
bei so etwas klären zu wollen, ist fast unmöglich und auch wenn der
devote Part in einer solchen Beziehung geführt wird, so entbindet ihn
das kaum von einer Eigenverantwortung. Wenn die Sklavin nicht in der
Lage ist, ihre Probleme zu kommunizieren, wie soll der Herr dann lenken
können. Eine Beziehung verbindet zwei Individuen und das, was sie
vereint oder trennt, kann nicht nur von einer Seite bestimmt werden, das
geht für mich an der Lebenswirklichkeit vorbei. Natürlich hat der Herr
in einer solchen Beziehung ein höheres Maß an Verantwortung, nur heißt
es nicht, „eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied“ und
somit trägt jeder die gleiche Verantwortung für das Gelingen oder
Scheitern einer Beziehung, seien die Verantwortungsbereiche auch
unterschiedlich ausgestaltet.
Gladius: Das Glied ist ein schönes
Beispiel, aber schau dir die Gesellschaft an, sollten die Starken dort
nicht auch mehr Verantwortung tragen und somit einen größeren Anteil zum
Gelingen des sozialen Friedens beitragen?
Gentledom: Eine
Gesellschaft ist sehr komplex und natürlich haben die „Stärkeren“ eine
größere Verantwortung, aber das befreit die „Schwächeren“ sicher nicht
aus ihrer Verantwortung, wäre dem so, so hätte jeder Schwache eine
schöne Ausrede und warum sollte man sich dann zum Beispiel Arbeit
suchen, wenn die Starken doch eigentlich in der Lage sind, einen
„durchzufüttern“. Zudem ist Verantwortung in einer großen Gesellschaft
anders verteilt als in einer Beziehung.
Karla Kolumna: Jungs, wir sind hier beim Thema BDSM, könnten wir bitte wieder zu Peitschen und Sexobjekten zurückkommen ;)
Gentledom: Stimmt, ja also, ich glaube wo wir uns alle einige sind, BDSM und Sex gehört zusammen, oder?
Gladius: Da sind wir einer Meinung ;).
Karla Kolumna: Aber so was von :) Zwei Doms, eine Sub, also wie gerade bei uns, was denkt ihr darüber?
Gladius: Meins teilen, nein ganz sicher nicht!
Gentledom:
Ich würde, wenn überhaupt, nur eine Affäre teilen und auch nur, wenn es
ihr Wunsch ist und die Affäre für mich nicht etwas sehr besonderes ist.
Wobei ich das von vielen Doms, die sich im Bereich TPE bewegen, anders
kenne.
Gladius: Das stimmt, das Verleihen der Sklavin soll
einfach zeigen, wie wertlos sie ist. Wie ein Gegenstand, den man einem
Kumpel gibt, oder noch schlimmer, den man gegen Geld verleiht. Für mich
ist es zwar nachvollziehbar, warum es gemacht wird, aber ich schätze
meinen exklusiven Besitz einfach zu sehr, als dass ich sie jemand
anderem überlassen könnte.
Karla Kolumna: Als gute rasende
Reporterin habe ich ja auch ein wenig recherchiert. Wer bei Google das
Wort Sklavin eingibt, bei dem findet sich die Gentledomseite auf Platz 4
und der Gladiusblog auf Platz 16, es ist schon interessant, dass ihr
beide so gut gelistet seid.
Gentledom: Ich glaube dieser
Vergleich ist nicht aussagekräftig. Der Link, der zu meiner Seite führt,
ist schon länger online und er ist unter anderem deswegen so hoch weil
dort „Sklavinnen“ Anzeigen geschaltet haben. Wenn ich Gladius Link
ansehe so ist dieser noch keine drei Monate online und dort geht es um
Gladius´ konkrete Suche. Ich denke mit der Zeit wird auch er weiter nach
vorne kommen und für einen jungen und bisher eher kleinen Blog ist das
eine wirklich beachtliche Leistung. Vergleiche ich die Besucherzahlen
meines Blogs (also nicht der Gesamtseite) mit seinen, so scheinen wir
nicht wirklich weit auseinanderzuliegen und ich blogge länger, habe
automatisch Besucher durch die Seite und weitaus mehr Artikel.
Gladius:
Danke, ich denke das Thema 24/7 und TPE spricht einfach sehr viele
Menschen an, wobei ich mir keine Illusionen mache, Neugier bedeutet noch
lange nicht, dass alle Besucher eine solche Beziehung leben wollen.
Karla Kolumna: Was bedeutet es für euch, einer abwesenden Sklavin eine Aufgabe zu stellen?
Gladius:
Ich mache dadurch deutlich, dass ich es von ihr verlangen kann und die
Aufgabe dient dazu, die Sklavin zu erziehen und ihr ihren Platz in
unserer Beziehung zuzuweisen. Aufgaben sollen mich entweder erfreuen,
oder dienen der Erziehung, sei es der Überwindung von Schamgefühl, als
Vertrauensübung oder auch um sie langsam an etwas neues heranzuführen.
Gentledom:
Für mich ist das meist eher ein Spiel, das der sexuellen Lust beider
dient. Als Vertrauensübung würde ich es nicht nutzen, Vertrauen entsteht
gerade durch den Kontakt zwischen mir und meiner Partnerin und der ist
dann intensiv, wenn sie mich spüren kann. Geht etwas schief, wäre ich
nicht da um einzugreifen und so etwas widerspricht meinem Verständnis
vom Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung.
Gladius: Karla, du
suchst wirklich immer die Punkte heraus, wo wir beide aneinander
geraten. Natürlich muss sich ein Herr seiner Verantwortung bewusst sein
und wenn er sich unsicher ist, von einer solchen Übung die Finger
lassen. Dennoch, ihm obliegt es auch auszuloten, wie belastbar seine
Sklavin ist und dafür muss er mit ihr auch neue Wege beschreiten können.
Ein Herr, der seine Sklavin immer behütet und betüddelt, der wird
erreichen, dass sie weiß, ist er zugegen, wird mir nie etwas geschehen,
aber dieses Gefühl sollte die Sklavin doch eigentlich am besten immer
haben.
Gentledom: Nein, deine Worte konsequent weitergedacht
würden dazu führen, dass sie sich im Leben weniger auf sich und mehr auf
ihren Herrn verlässt und jeder Mensch muss sich in erster Linie auf
sich verlassen können, auch wenn es daneben einen Partner gibt, der
einem im Idealfall immer zu Seite steht. Aber was wäre, wenn dieser
Partner dann nicht mehr da wäre, dann hättest du evtl. einen Menschen
hinterlassen, der nicht mehr selbstständig leben kann.
Gladius:
Und was wäre so schlimm daran, wenn sich jemand mehr auf einen anderen
als auf sich selber verlässt, dies bedeutet ja nicht im Umkehrschluss,
dass diese Person nicht grundsätzlich ihr gesamtes Leben selbst
entscheiden könnte, aber sie will es eben nicht und gibt daher in einem
selbst gesteckten Rahmen Verantwortung ab.
Gentledom: Der Grad
von verantwortbarer und unverantwortlicher Selbstaufgabe ist sehr
schmal. Ich hoffe du wirst niemanden abstürzen lassen, denn der Fall
kann dann sehr, sehr tief sein.
Gladius: Ich bin mir der Verantwortung sehr bewusst.
Karla Kolumna: Gladius, welche Bereiche würdest du denn auf gar keinen Fall bestimmen wollen?
Gladius:
Wenn alles passt, gibt es eigentlich nur den Bereich Familie und
Gesundheit, in den ich mich als Herr nicht einmischen würde.
Gentledom: Das bedeutet im Umkehrschluss, du würdest über die Bereiche Finanzen, Beruf, und soziale Kontakte bestimmen wollen?
Gladius:
Wollen ist hier vollkommen falsch, wenn es passt, dann kann ich mir
vorstellen, hier Entscheidungen für meine Sklavin zu fällen, wobei ich
mir dann bewusst bin, dass ich mich nicht von meinen Wünschen leiten
lassen darf, sondern die beste Entscheidung für sie (Finanzen/Beruf),
bzw. uns (soziale Kontakte) treffen muss. Sie hat sich mir anvertraut
und ich habe die Sorge für sie übernommen, daran muss ich mich messen
lassen. Von mir aus würde ich die Kontrolle über diese Bereiche aber
nicht verlangen.
Gentledom: Interessant, du hast ja gesagt, du
würdest dich nicht in Gesundheitsfragen einmischen wollen, dann hier mal
ein Beispiel. Ihre Mutter hatte Brustkrebs, du weißt es, aber sie will
nicht zu einer Vorsorgeuntersuchung gehen, wie reagierst du?
Gladius:
Ich würde denken, sie hat Angst vor einem positiven Befund und
vermeidet daher den Arztbesuch. Wie jedem Partner liegt mir ihre
Gesundheit am Herzen, also würde ich sie zuerst unterstützen dabei,
diesen Schritt doch zu gehen und wenn alles nicht hilft, ja dann würde
ich sie zum Besuch anweisen. Mit der Ausnahme Gesundheit ist für mich
gemeint, dass ich über nichts entscheide, was nicht nur leicht negative
Folgen haben kann. Jede Session kann bekanntlich negative
gesundheitliche Folgen haben und sei es nur eine Prellung. Wenn es aber
eine Entscheidung ist, für die sowohl solche, als auch solche Gründe
sprechen, dann muss sie das entscheiden. Zum Beispiel, ob bei einem
Eingriff lieber eine örtliche Betäubung oder eine Narkose gemacht wird,
oder ob bei einer OP diese oder jene Technik genutzt wird, oder eben ob
sie ein Tattoo von mir tragen will oder nicht.
Gentledom: Und
bezogen auf ihre Familie, also gesetzt den Fall du siehst, sie hat sich
daneben benommen und mit ihrer Mutter überworfen. Es war wirklich dumm
von ihr und wie man es dreht oder wendet, eigentlich müsste sie sich bei
ihrer Mutter entschuldigen, aber sie sieht das nicht ein und bricht
lieber den Kontakt zu ihrer Familie ab. Mischst du dich dann ein?
Gladius:
Nein, ich würde ihr meine Meinung sagen und erläutern, warum ich meine,
sie sollte sich bei ihrer Mutter melden/entschuldigen. Aber es ist ihre
Familie und da steht es mir nicht zu mich einzumischen, denn egal ob
positiv oder negativ, die Familie begleitet einen das ganze Leben, ein
Herr tut dies im Idealfall auch, aber das ist eben nicht sicher.
Karla
Kolumna: Gladius, du sprichst einmal von Entscheidungen für „sie“
(Beruf/Finanzen) und dann „uns“ (soziale Kontakte), warum dieser
Unterschied?
Gladius: Das war eine recht spontane Antwort,
natürlich spielt immer beides mit hinein, also sie und ich, nur muss ich
darauf achten, meinen vorhandenen Egoismus eben nicht über ihre
Grundsicherheit zu stellen. Im Bereich Beruf und Finanzen muss sie, wenn
sie diesen Bereich in meine Hände legt, abgesichert sein, denn wir
können uns trennen, oder es kann mir etwas geschehen. Bei sozialen
Kontakten hatte ich gerade einfach das Beispiel falsche Freunde vor
Augen, die unsere Beziehung gefährden, daher habe ich dort das „uns“
gewählt.
Karla Kolumna: Das ist doch ein schöner Schluss, dann
entlasse ich die beiden Doms wieder und bedanke mich für das
interessante Interview!
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